Infektion der Wirbelsäule (Eitrige Spondylitis / Spondylodiszitis)

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
nachfolgend möchten wir Ihnen einige Informationen zum Krankheitsbild der Infektion der Wirbelsäule und seiner Behandlung geben. Aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie im Klinikum Bad Bramstedt, werden Patienten überregional in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen sowie aus weiteren Bundesländern behandelt bzw. beraten. Dabei sind die sorgfältige Untersuchung und Befragung die zentralen Bestandteile, Patienten in unserer Sprechstunde individuell beraten zu können.

Definition

Während verschleißbedingte Rückenschmerzen häufig auftreten, zählen eitrige (bakterielle) Entzündungen der Wirbelsäule und der Bandscheiben zu den eher seltenen Ursachen für Rückenschmerzen. Eine Spondylodiszitis ist eine Entzündung, die Grund- und Deckplatten der Wirbel sowie die zugehörige Bandscheibe befällt und häufig von einer Spondylitis (Entzündung des Wirbelkörpers) ausgeht. Sie treten in einer Häufigkeit von 1:250.000 in der Bevölkerung auf, wobei die meisten Patienten über 50 Jahre sind. Das männliche Geschlecht ist etwa doppelt so häufig betroffen wie das weibliche. Als Risikogruppe gelten Diabetiker, Patienten mit einer reduzierten Immunabwehr oder Patienten nach medizinischen Eingriffen, wie Injektionen, Operationen an der Wirbelsäule, endoskopischen Eingriffen oder Behandlungen im Mundrachenbereich. Bakterien, die z. B. für eitrige Lungen- oder Harnwegsentzündungen ursächlich sind, können infolge von Keimverschleppung vom primären Entzündungsherd über die Blut- oder Lymphbahnen auch die Wirbelsäule besiedeln. Auch Operationen an der Wirbelsäule oder anderen Organen sowie Injektionsbehandlungen können zu solchen Infektionen führen. Hierbei kommt es dann zu Abszessen und zu Einschmelzungen der Wirbel und der Bandscheibe. Weiterhin kann die Infektion in den Rückenmarkkanal vordringen und zu schweren neurologischen Komplikationen mit Lähmungen führen. Die eitrige Wirbelsäulenentzündung stellt je nach Ausprägung eine unter Umständen lebensbedrohende Erkrankung dar.

Symptome

Die Patienten berichten primär von starken Rückenschmerzen bei Belastung, vor allem aber auch von nächtlichen Schmerzen. Etwa die Hälfte der Patienten haben Fieber oder erhöhte Temperaturen und berichten von nächtlichem Schwitzen. Sind Nervenwurzeln oder das Rückenmark betroffen, kann es zu Ausfällen (Gefühlsstörungen, Lähmungen) im Bereich der oberen und unteren Extremitäten kommen. Seltener manifestiert sich die Spondylodiszitis mit einer kompletten Querschnittsymptomatik, Flanken- oder Hüftschmerzen.

Diagnose

Abb. 1 Infektion des 1. und 2. Lendenwirbels bei Tuberkulose


Bei länger bestehenden Rückenschmerzen und oben genannten Symptomen gehört neben der sorgfältigen körperlichen Untersuchung zunächst die Labordiagnostik mit Bestimmung der Entzündungswerte zu den ersten Maßnahmen. Im normalen Röntgenbild ist erst bei ausgedehnter knöcherner Zerstörung der Wirbel ein Hinweis zu finden. Trotzdem sind diese Aufnahmen auch zur Abklärung anderer Erkrankungen und Beurteilung der Wirbelsäulenstatik notwendig. Die sensitivste Methode ist derzeit die Kernspintomographie der Wirbelsäule (MRT, siehe Abbildung 1). Hier lassen sich die Infektion und die angrenzenden Weichteile mit Rückenmark und Muskulatur sehr gut darstellen. Kann eine bakterielle Infektion durch die klinisch-diagnostische Untersuchung nicht ausgeschlossen werden, kann man durch eine Probeentnahme aus dem betroffenen Areal zu einer sicheren Diagnose kommen. Die entnommene Gewebeprobe kann dann feingeweblich unter dem Mikroskop untersucht werden. Mit Teilen des Materials beimpft man Nährböden, auf denen eventuell vorhandene Keime angezüchtet werden können.

Differentialdiagnose

Besondere Probleme in der Abgrenzung zwischen chronischen bakteriellen Entzündungen bereiten degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, die auch in der Kernspintomographie der Spondylodiszitis ähnlich sehen. Diese Befunde können durch eine besondere Untersuchung (PET) differenziert werden. Letztendlich beweisend ist die Gewinnung von Material, die eine sichere Anzüchtung der Erreger und eine feingewebliche Untersuchung auf weiße Blutkörperchen im Gewebe ermöglicht.

Ziel der Therapie

Das Ziel der Behandlung besteht in einer sicheren Identifizierung des verursachenden Erregers, d. h. Art des Bakteriums oder der Pilze, welche die Infektion verursachen, einer gezielten Antibiotikatherapie und ggf. die operative Stabilisation der Wirbelsäule mit Ausräumung des Infektionsherdes und Entlastung von Rückenmark und Nervenwurzeln. So wird eine Abheilung der Infektion erreicht und die Belastbarkeit des Patienten wiederhergestellt.

Konservative Therapie

Kommt es im Rahmen der Infektion zu einer größeren Zerstörung der Wirbelsäule mit einer Instabilität, ist normalerweise eine Operation angezeigt. Auch größere Eiteransammlungen (Abzesse) im Rückenmarkskanal (Spinalkanal) oder der umliegenden Muskulatur (M. psoas, M. erector spinae) machen eine Operation notwendig. Absolute Operationsindikationen bestehen bei Blutvergiftungen (Sepsis) und Lähmungen, die durch Eiteransammlungen im Spinalkanal verursacht werden sowie bei Fortschreiten der Entzündung trotz gezielter medikamentöser Therapie. Das operative Vorgehen wird bestimmt von den vorliegenden Befunden und stellt somit eine individuelle, an dem Erscheinungsbild der Erkrankung ausgerichtete Therapie dar. Grundsätze der Behandlung: Die Eiterherde an der Wirbelsäule werden operativ ausgeräumt. Dabei wird meistens eine Operation von hinten, zur Entlastung des Eiters aus dem Spinalkanal und Befreiung von Rückenmark oder Nervenwurzel unter einem Operationsmikroskop durchgeführt. Gegebenenfalls wird die instabile Wirbelsäule in der gleichen Operation mit Schrauben und Stäben stabilisiert. Auch eine Entfernung des Eiters aus dem Bandscheibenraum und der Wirbelkörper kann von hinten „am Rückenmark vorbei“ durchgeführt werden. Mitunter ist auch eine Operation von vorne durch den Hals, den Brustkorb oder den Bauch notwendig, um die Infektion aus den umliegenden Geweben zu entfernen und die eingeschmolzenen Teile der Wirbelsäule durch Knochen (aus dem Becken oder dem Wadenbein) oder Metallimplantate (sog. Wirbelkörperersatz aus Titan) zu ersetzen. Dabei können häufig auch hier „Schlüssellochverfahren“ (minimal-invasive Verfahren z. B. Thorakoskopie, Mini-ALIF, perkutane Stabilisationen) eingesetzt werden, um das nicht betroffene Gewebe optimal zu schonen. Im Anschluss an die operativen Eingriffe schließt sich eine konsequente Therapie mit Antibiotika über Wochen an. Diese Therapien werden initial als intravenöse Therapie gegeben und können dann auf eine Therapie mit Tabletten umgestellt werden. Die Mobilisation und die Anschlussheilbehandlung (AHB) erfolgt individuell, wobei eine frühzeitige Mobilisation und die Durchführung eine AHB angestrebt wird. Im Anschluss sollten engmaschige Laborkontrollen und radiologische Kontrollen erfolgen, um einen Rückfall möglichst frühzeitig zu erkennen.

Spontanverlauf

Unbehandelt, d. h. ohne Antibiotikatherapie oder Operation, verlaufen ca. 70% der Infektionen an der Wirbelsäule tödlich. Bei spontaner Ausheilung kommt es in hohem Maße zu persistierenden Rückenschmerzen, Lähmungen, Gefühlsausfällen und sog. Gibbusbildungen, d. h. eine Knickbildung der Wirbelsäule durch das Zusammenfallen der zerstörten Wirbelsäulenanteile.

Prognose

Auch bei intensiver Behandlung kann nicht immer eine Ausheilung des Infektes erreicht werden, da Knocheninfektionen sehr hartnäckig sind und viele Patienten durch zusätzliche Erkrankungen bereits einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand zeigen. Des Weiteren werden Infektionen an der Wirbelsäule häufig spät erkannt, was dazu führt, dass die Wirbelsäule teilweise schon zerstört ist, und die Patienten häufig durch die Ausbreitung des Infektes bereits eine lebensgefährliche Blutvergiftung haben. In der Mehrheit der Fälle ist jedoch mit einer Ausheilung der Infektion und einer guten Funktion der Wirbelsäule zu rechnen.