Bandscheibenvorfälle

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
nachfolgend möchten wir Ihnen einige Informationen zum Krankheitsbild des Bandscheibenvorfalles und seiner Behandlung geben. Aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie im Klinikum Bad Bramstedt, werden Patienten überregional in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen sowie aus weiteren Bundesländern behandelt bzw. beraten. Dabei sind die sorgfältige Untersuchung und Befragung die zentralen Bestandteile, Patienten in unserer Sprechstunde individuell beraten zu können.

Definition

Unter Bandscheibenvorfall versteht man eine Erkrankung, bei der Bandscheibengewebe aus der Bandscheibe austritt. Dabei kommt es zu einem Riss des Faserknorpelrings (Anulus fibrosus) und zum Austritt des „weichen Kerns“ (Nucleus pulposus) der Bandscheibe. Die Ursachen für einen Bandscheibenvorfall sind vielfältig. Es werden genetische Veranlagungen, einseitige Fehlbelastungen und ein Missverhältnis zwischen Belastbarkeit und Belastung der Wirbelsäule diskutiert. Am häufigsten sind Menschen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr betroffen. Dabei sind Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule 10-fach häufiger als an der Halswirbelsäule. An der Brustwirbelsäule treten Bandscheibenvorfälle selten auf.

Symptome

Die Beschwerden, die Bandscheibenvorfälle verursachen, sind sehr unterschiedlich. Die Ursache des Beschwerdegrades liegt in der Lokalisation des vorgefallenen Bandscheibengewebes. Der mediolaterale bis laterale (seitliche) Bandscheibenvorfall führt meistens zu Armschmerzen (an der HWS) oder Beinschmerzen (an der LWS). Dabei können Gefühlsausfälle und Lähmungserscheinungen in der Extremität hinzutreten (siehe Abbildung 1). Der mediale (mittige) Bandscheibenvorfall führt teilweise zu ausstrahlenden Schmerzen in beide Arme oder Beine. An der Halswirbelsäule oder Brustwirbelsäule kann es zu einer Kompression des Rückenmarks kommen, die je nach Ausprägung zu Gangstörungen (Ataxie), Gefühlsausfällen oder kompletten Querschnittlähmungen führen kann. An der Lendenwirbelsäule kann es zu einem sog. Kaudasyndrom (bei Kompression mehrerer Nervenwurzeln) mit Verlust der Harn- und Stuhlkontrolle sowie Ausfällen in den Beinen kommen. Nacken- und Rückenschmerzen sind bei Bandscheibenvorfällen häufig, jedoch nicht zwingend vorhanden. Als Alarmzeichen sollten auf jeden Fall Gefühlsausfälle und Schwächen der Extremitäten sowie Verlust der Harn- und Stuhlkontrolle gewertet werden. Hier ist das sofortige Aufsuchen eines Arztes geboten.

Abb. 1 Großer Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule

Diagnose

Eine gründliche körperliche Untersuchung ermöglicht die Dringlichkeit weiterer Maßnahmen einzuschätzen. Um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen ist die Kernspintomographie (MRT) aktuell das Mittel der Wahl. Hier können Bandscheibenvorfälle und die Nervenwurzeln, sowie das Rückenmark direkt dargestellt werden. Wenn aufgrund von Implantaten (z.B. Herzschrittmacher) ein MRT nicht möglich ist, kann auch die Computertomographie (CT) eingesetzt werden. Selten ist eine zusätzliche Myelographie notwendig. Hier wird eine röntgendichte Flüssigkeit in den Rückenmarksack (Duralsack) gespritzt, ähnlich der Rückenmarksnarkose, um weitere Informationen zu gewinnen.

Therapie / Behandlung Konservative Therapie (ohne Operation)

Sind Schmerzen die Hauptsymptome oder sind nur milde neurologische Störungen vorhanden, kann versucht werden, eine konservative Behandlung durchzuführen. Neben einer Schmerztherapie in Tablettenform, wird durch balneophysikalische Maßnahmen (Massage, Wärmetherapie, Elektrotherapie und vieles mehr) versucht, die Muskulatur zu entspannen und durch eine gezielte Krankengymnastik zu trainieren. Die ausstrahlenden Schmerzen im Bein oder Arm können häufig durch sogenannte PRT’s (Injektionstherapie der Nervenwurzeln/periradikuläre Therapie) gelindert werden. Bei dieser Behandlung erreicht ein Großteil der Patienten langfristig eine gute Beschwerdelinderung.

Operative Therapie

Kommt es unter längerer konservativer Behandlung nicht zu einer ausreichenden Beschwerdelinderung oder sind Kraft- oder Gefühlsausfälle in den Armen oder Beinen vorhanden, ist unter Umständen eine Operation notwendig. Es kommen verschiedene Operationsverfahren zum Einsatz, die individuell auf die betroffene Wirbelsäulenregion und den Patienten abgestimmt werden.

Operationsverfahren an der Lendenwirbelsäule

Ist die Lendenwirbelsäule betroffen, wird der Patient während der Operation auf dem Bauch gelagert und über einen kleinen Hautschnitt im unteren Rückenbereich der Bandscheibenvorfall aufgesucht. Bei der sogenannten „Nukleotomie“ kommen spezielle mikrochirurgische Instrumente und ein spezielles Operationsmikroskop zum Einsatz, welche ein möglichst schonendes Vorgehen unter guter Sicht des Operateurs ermöglichen. Um zum Bandscheibenvorfall vorzudringen, muss unter Umständen ein kleiner Teil des hinteren Anteils des betroffenen Wirbelkörpers – im Bereich des sogenannten Wirbelbogens – entfernt werden. Dies beeinträchtigt die Stabilität der Wirbelsäule nicht. Sind mehrere Bandscheiben betroffen, muss individuell entschieden werden, welche für die Beschwerden verantwortlich ist und ob mehrere solcher Vorfälle in einer Operation versorgt werden können. Nach der Operation erhält jeder Patient von krankengymnastischer Seite Hilfe und Anleitung zur korrekten Körperhaltung, zum rückenschonenden Sitzen, Aufstehen und zur Verrichtung alltäglicher Dinge. Häufig ist schon am 2. Tag die Entlassung nach Hause möglich. Die weitere krankengymnastische Behandlung kann dann ambulant erfolgen. Gerade für Bandscheiben-Patienten sind der konsequente Muskelaufbau und die Erlernung rückenschonender Bewegungsabläufe von großer Wichtigkeit, um das Operationsergebnis zu stabilisieren und weiteren Bandscheibenvorfällen vorzubeugen.

Operationsverfahren an der Halswirbelsäule

Im Bereich der Halswirbelsäule wird die Operation üblicherweise von vorn durchgeführt, da nur ein kleiner Teil der Bandscheibenvorfälle von hinten unter Schonung des Rückenmarks erreicht werden kann. Über einen kleinen Hautschnitt im vorderen Halsbereich wird das erkrankte und den Spinalkanal einengende Bandscheibengewebe unter Zuhilfenahme eines Operationsmikroskops in mikrochirurgischer Technik entfernt. Dann wird ein Platzhalter aus körperfremdem Material eingesetzt, der das betroffene Bandscheibensegment ruhigstellt. In manchen Fällen ist auch die Implantation einer Bandscheibenprothese möglich, die die Funktion der ursprünglichen Bandscheibe übernimmt. Grundsätzlich können auch hier mehrere Etagen in einer Operation versorgt werden. Üblicherweise ist die stationäre Behandlung nach 2-5 Tagen abgeschlossen und es kann eine ambulante krankengymnastische Übungsbehandlung beziehungsweise Rehabilitation erfolgen.

Spontanverlauf

Viele Bandscheibenvorfälle können getrost ohne Operation behandelt werden. Eine Vielzahl von Menschen haben Bandscheibenvorfälle, ohne dies zu bemerken oder hatten Beschwerden, die sich spontan wieder verringerten. Als Alarmzeichen sollten auf jeden Fall Gefühlsausfälle und Schwächen der Extremitäten sowie Verlust der Harn- und Stuhlkontrolle gewertet werden. Hier ist das sofortige Aufsuchen eines Arztes geboten.